Die Ringstraße
Ein repräsentativer Prachtboulevard
Die Wiener Ringstraße versammelt auf einer Länge von mehr als vier Kilometern derart viele Monumentalbauten wie keine andere vergleichbare Prachtstraße in Europa.
Nachdem feindliche Belagerungen, vernichtende Kriege und die blutige Revolution von 1848 überstanden waren, befand sich Wien Mitte des 19. Jahrhunderts in einer neuen Aufbruchsstimmung. Die beengenden Verteidigungsmauern, die die Innenstadt fest umklammerten, hatten ausgedient und standen der aufstrebenden Metropole nun im Weg.
Also ließ Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1857 deren Schleifung anordnen, um den Bau eines repräsentativen Prachtboulevards einzuleiten. Er sollte nicht nur dem allgemeinen Bürgertum eine Flaniermeile bieten, sondern auch dem Adel und Großbürgertum eine attraktive Möglichkeit geben, den eigenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status mit außergewöhnlichen Prunkbauten zu untermauern.Damit war die Ringstraßenära eingeläutet, die einige architektonische Meisterwerke des Historismus hervorbrachte.
Den Anfang machte das Hof-Operntheater, die heutige Wiener Staatsoper, erbaut nach Plänen von August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll. Die Nähe zur Hofburg und die Positionierung an besonders wichtigen Verkehrsadern zeichnete diesen Abschnitt des Prachtboulevards als würdigen Standort für das Wahrzeichen einer Welthauptstadt der Musik aus.
In einer Verneigung vor diesem „Ersten Haus am Ring“ erhielt der Opernring 1861 seinen Namen und entwickelte sich rasch zu einer der exklusivsten Adressen der Stadt, die bis heute nichts von ihrem außergewöhnlichen Charme eingebüßt hat. Wie schon seinerzeit, ist der prächtige Korso rund um das pulsierende Herz von Wien auch heute noch ein Top-Standort für namhafte Unternehmen und Institutionen, die sich hier hervorragend repräsentiert wissen.
Der Heinrichhof
Ein monumentales Zinshaus im Palaststil
Die rege Bautätigkeit an der Ringstraße ließ den Ziegelindustriellen Heinrich Drasche schnell zu einem der reichsten Männer der Stadt aufsteigen. Er erwarb die freien Bauparzellen gegenüber der Oper und beauftragte Theophil Hansen, einen der seinerzeit führenden Architekten in Europa, mit dem Bau eines mondänen Miethauses.
1861 markiert den Beginn des Großbauprojekts „Heinrichhof“. Hansen brach mit den Konventionen, indem er Einzelmiethäuser zu einer monumentalen Einheit zusammenfügte. Dabei nahm er Anleihen am bisher unter Schlössern üblichen Typus der Kastellburg mit vier Ecktürmen. Mit aufwendigen Fresken und üppig dekorierten Fassaden revolutionierte er den Wiener Zinshausbau, der damit nicht länger mit dem Vorwurf konfrontiert war, sich bloß an der reizlosen Kasernenarchitektur zu orientieren.
Die neue Art des „Zinshauses im Palaststil“ wurde von der vornehmen Wiener Gesellschaft mit großem Wohlwollen aufgenommen. Auch der Staatsopernsänger Leo Slezak ließ sich hier häuslich nieder. Geschäftslokale traditionsreicher Unternehmen und nicht zuletzt das „Café Heinrichhof“ im Erdgeschoß, das vor allem Künstler und Freunde der Musik anzog, trugen zur weiteren Belebung des Standorts bei.
Drasche hatte sich mit dem Heinrichhof ein persönliches Denkmal gesetzt, das unter Zeitzeugen auch als „schönstes Zinshaus der Welt“ seine Bewunderung gefunden haben soll.
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude von Bombentreffern zerstört und brannte zu einem großen Teil aus. Wollte man ursprünglich die noch intakte Substanz wieder aufbauen und die Ring-seitige Fassade retten, führte der rasche Verfall letztendlich doch noch zum Gesamtabbruch. Ende 1954 war das komplette Areal geräumt und damit ein bedeutendes Werk der Wiener Ringstraßenarchitektur Geschichte.
Der Opernringhof
Zweckmäßige Eleganz mit Größenwirkung
Nach dem Niedergang des Heinrichhofs benötigte die Oper ein neues würdiges Gegenüber. Das Nachfolge-Haus an der noblen Adresse sollte sich nicht nur in die architektonische Linie der Ringstraße einfügen, sondern gleichzeitig auch den Erfordernissen des modernen Städtebaus gerecht werden.
1955 wurde mit der Errichtung des Opernringhofs nach Plänen der Architekten Carl Appel, Georg Lippert und Alfred Obiditsch begonnen. Als Symbol des Wiederaufbauwillens einer zerstörten Stadt sollte das neue Gebäude nicht mit baulichen Extravaganzen aufregen, sondern vielmehr eine Synthese aus Zweckmäßigkeit und Wirkung erschaffen, ohne dabei aber die Oper in den Schatten zu stellen.
Rund 140 Firmen und an die 1.500 Arbeiter, vom Bauunternehmer bis zum Kunsthandwerker, sorgten für die Umsetzung des ambitionierten Entwurfs.
Der bewusste Verzicht auf Ornamente und die auf ökonomische Effizienz ausgelegten Büroflächen verdeutlichen die Reduktion auf funktionale Ehrlichkeit. Gleichzeitig sorgt die Größenwirkung des Gebäudes für eine bestmögliche Repräsentation der Firmenidentität.
Die reduzierte aber gewählte Linienführung, in Verbindung mit ausgewählten Baumaterialien wie italienischem Marmor und Mannersdorfer Stein, machen den Opernringhof zu einem Musterbeispiel der Wiener Nachkriegsarchitektur. Nicht umsonst schreibt man den Architekten zu, mit dem Bau des Opernringhofs einen „Zweiten Ringstraßenstil“ eingeläutet zu haben.
Wer einen Blick ins Detail wagt, wird erkennen, dass selbst die sanft ausgearbeiteten Arkaden eine Analogie zum Laubengang der Wiener Staatsoper herstellen.
Durch sein zeitloses Auftreten strahlt der Opernringhof heute effiziente Organisation inmitten eines geschäftigen Stadtkerns aus – als selbstbewusstes Symbol unternehmerischen Erfolgs.